Immobilienwirtschaft braucht Innovation und Nachhaltigkeit

Steckt die Immobilienwirtschaft in der Krise oder braucht sie neue innovative Geschäftsmodelle? Die internationale Immobilienmesse EXPO REAL in München vom 4.-6. Oktober 2023 hat in vielen Podiumsdiskussionen und Gesprächen mit Marktteilnehmern gezeigt, dass ein generelles Umdenken aufgrund der herrschenden Rahmenbedingungen in der Baubranche angesagt ist.

Die langanhaltende Phase extrem niedriger Zinsen hatte der Immobilienbranche außerordentliche Bedingungen geschaffen, die mit einhergehenden steigenden Bauzinsen und Materialkosten nun nicht mehr gegeben sind. In der aktuellen Krise sortiert sich die Branche neu.

Die Nachfrage nach Wohnraum in Ballungsgebieten ist nach wie vor hoch, wie kann bezahlbarer Wohnraum durch Wohnbaugesellschaften, Kommunen und Investoren geschaffen werden? Welche Überlegungen müssen hierbei angestellt werden?

Chancen der Immobilienwirtschaft im Neubausegment

Über Probleme in der Immobilienwirtschaft zu lamentieren bringt die Branche nicht weiter. Jetzt gilt es neue Chancen zu ergreifen, die mit dem Klimaschutz und der Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum einhergehen.

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Hohe Vorfertigung, schnelle mehrgeschossige Bauweise mit Holzmodulen. Foto: Holzbauwelt.de

Hier sind einige Überlegungen, die dabei eine wichtige Rolle spielen:

  1. Sozialer Wohnungsbau: Wohnbaugesellschaften und Kommunen können den sozialen Wohnungsbau fördern, indem sie gezielt Wohnungen für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen zur Verfügung stellen. Dies erfordert oft staatliche Unterstützung und Anreize, um die Kosten für Investoren zu senken.
  2. Innovative Finanzierungsmodelle: Investoren können von staatlichen oder kommunalen Finanzierungsprogrammen profitieren, die den Bau von bezahlbarem Wohnraum erleichtern. Beispielsweise könnten Steuervergünstigungen oder niedrige Zinssätze für Darlehen angeboten werden.
  3. Flächennutzung optimieren: Städte und Kommunen sollten die Flächennutzung optimieren, um mehr Wohnraum in bereits dicht besiedelten Gebieten zu schaffen. Dies kann die Umwandlung von Industrie- oder Gewerbegebieten in Wohngebiete beinhalten.
  4. Verdichtung und vertikale Entwicklung: In einigen Fällen ist die Vertikale, d.h. der Bau von Mehrfamilienhäusern und Hochhäusern, eine Möglichkeit, um mehr Wohnraum auf begrenztem Raum zu schaffen.
  5. Öffentlich-private Partnerschaften: Die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren kann dazu beitragen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Gemeinsame Investitionen und Ressourcen können die Kosten reduzieren.
  6. Nachhaltiges Bauen: Der Einsatz nachhaltiger Baumaterialien und energiesparender Technologien kann langfristig die Betriebskosten senken und den Wohnraum bezahlbarer machen.
  7. Mietpreisregulierung: In einigen Ländern und Städten gibt es Mietpreisregulierungen, die die Mietkosten begrenzen. Dies kann dazu beitragen, dass Wohnraum bezahlbar bleibt, sollte jedoch mit Vorsicht angewendet werden, um negative Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt zu vermeiden.
  8. Soziale Integration: Bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist es wichtig, soziale Integration zu fördern. Dies kann durch die bewusste Planung von gemischten Wohnvierteln und die Bereitstellung von sozialen Diensten erreicht werden.
  9. Langfristige Perspektive: Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum erfordert eine langfristige Perspektive. Investoren, Wohnbaugesellschaften und Kommunen müssen langfristige Strategien entwickeln, um die Nachfrage nach Wohnraum langfristig zu decken.
  10. Partizipation und Beteiligung: Die Beteiligung der Bürger und der lokalen Gemeinschaften an Entscheidungsprozessen und Planungen kann dazu beitragen, Akzeptanz und Unterstützung für bezahlbaren Wohnraum zu gewinnen.

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Ballungsgebieten erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise und die Bereitschaft aller Beteiligten, zusammenzuarbeiten, um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen und eine ausgewogene Entwicklung zu fördern.

Nachhaltigkeit, Klimaschutz und der klimafreundliche Holzbau

Neben wirtschaftlichen Aspekten eröffnet auch die klimafreundliche Holzbauweise interessante Perspektiven. Sie ist nicht nur wettbewerbsfähig, sondern punktet auch mit einer positiven CO2-Bilanz. Sowohl im Neubau als auch beim Umbau kann der serienmäßige Einsatz von Holz die Kosten senken und die Baugeschwindigkeit erhöhen. Dies zeigt, dass die Krise für mutige und innovative Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten bietet.

Dass bereits heute attraktive mehrgeschossige Gebäude in Holzbauweise gefertigt werden, ist in der Immobilienwirtschaft noch viel zu wenig angekommen. Investoren und Kommunen können hier erhebliche Potentiale sowohl beim Wohnungsneubau wie auch im Gewerbebau heben.

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Mehrgeschossige Gebäude in klimafreundlicher Holzbauweise bestechen mit hoher Vorfertigung und schnellerer Bauweise als konventionell gebaute Gebäude. Foto: Holzbauwelt.de

Standardisierung und serielles modulares Bauen

Der größte Hebel beim Bauen liegt nach wie vor in der Bauplanung. Standardisierung sowie serielles und modulares Bauen mit Holz sind Ansätze, die durch Effizienz- und Rationalisierungsgewinne erhebliches Potenzial zu Kosteneinsparungen im Wohnungsbau bergen. Durch Serienfertigung und /Nutzung von standardisierten Elementen und Modulen sind Material- und Herstellungskosteneinsparungen sowie eine Verkürzung der Bauzeiten und Arbeitskosten auf der Baustelle zu erzielen. Gleichzeitig reduzieren sich durch einfache Gebäudeformen, Grundrisse und die Beschränkung von Details die Planungsaufwände und Baukosten. Um diese Kosteneinsparpotenziale zu heben, braucht es allerdings beschleunigte Genehmigungsverfahren sowie die Vereinfachung von baurechtlichen und bautechnischen Vorgaben

Umnutzung und Sanierung von Gebäuden

Die Umnutzung oder Sanierung von Gebäuden bietet vielversprechende Möglichkeiten. Diese Projekte sind nicht nur zeitsparender als Neubauten, sondern auch kostengünstiger – im Durchschnitt um rund die Hälfte. Schätzungen der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen zufolge könnten deutschlandweit etwa 235.000 zusätzliche Wohnungen geschaffen werden, wenn dieses Potenzial genutzt wird.

Potential durch Aufstockungen im Gebäudebestand

Das ökologische Potenzial durch Aufstockungen, Umwandlungen und Nachverdichtung bereits genutzter/versiegelter Flächen ist vor allem im Bereich der Vermeidung von Flächenverbrauch an Bodenfläche sehr bedeutsam. Im Vergleich zu Neubauvorhaben wird für Aufstockungen und Verdichtung bereits bebauter Flächen kaum neue Siedlungs-und Verkehrsfläche in Anspruch genommen, da vorwiegend auf bestehende Infrastruktur zurückgegriffen werden kann.

  • 1,1 Mio. bis 1,5 Mio. Wohneinheiten auf Wohngebäuden der 1950er-bis 1990er-Jahre
  • 20.000 Wohneinheiten oder soziale Infrastruktur auf Parkhäusern der Innenstädte.
  • 560.000 Wohneinheiten durch Aufstockung von Büro-und Verwaltungsgebäuden.
  • 350.000 Wohneinheiten durch Umnutzung des Überhangs (Leerstand) von Büro-und Verwaltungsgebäuden.
  • 400.000 Wohneinheiten auf den Flächen von eingeschossigem Einzelhandel, Discountern und Märkten, bei Erhalt der Verkaufsflächen.

In der Gesamtheit bieten die betrachteten Gebäudetypologien ein Potenzial von 2,3 Mio. bis 2,7 Mio. Wohnungen.

lebt in Stuttgart und betreibt als unabhängiger Holzhaus-Experte aus Leidenschaft verschiedene Blogs und das Portal holzbauwelt.de. Er informiert über Trends im Wohnungs- und Gewerbebau mit dem Baustoff Holz für Bauherren, Investoren, Planer im modernen Holzbau. E-Mail senden