Marktstudie mehrgeschossiger Holzbau sieht großes Potential

Das Marktforschungsinstitut B+L untersucht die Marktentwicklung und Produktabsätze in der Bauwirtschaft für Deutschland und Europa. Dabei beschränkt sich Ihre Expertise nicht nur auf den mehrgeschossigen Holzbau, sondern Ihr interdisziplinäres Team analysiert alle Produkte und Bauteile, die am Bau verwendet werden.

Sigurd Maier: Inhaber der Online-Plattform Holzbauwelt.de: „Durch ihre Primärdatenerhebungen bei Herstellern, Händlern, Planern und Ausführenden sind Sie nah am Puls der Branche, daher einmal vorab gefragt: Wo steht die deutsche Baubranche im Mai 2024 und was sind aus Ihrer Sicht aktuelle Entwicklungen, die die Branche prägen werden?“

Holzbau
Viele Baubeteiligte und Experten sehen im mehrgeschossigen Holzbau als Holzhybridbau große Marktpotentiale. Foto: Holzbauwelt.de

Sigurd Maier: Durch ihre Primärdatenerhebungen bei Herstellern, Händlern, Planern und Ausführenden sind Sie nah am Puls der Branche, daher einmal vorab gefragt: Wo steht die deutsche Baubranche im Mai 2024 und was sind aus Ihrer Sicht aktuelle Entwicklungen, die die Branche prägen werden?

Marcel Dresse: Aktuell ist die Branche natürlich stark vom konjunkturellen Einbruch des Neubausegments und der Zurückhaltung bei Investitionen in den Bestand geprägt. Die Unternehmen sahen sich im vergangenen Jahr 2023 mit deutlichen Auftrags- bzw. Absatzrückgängen konfrontiert. Gleichzeitig sind die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnbau und die Entwicklung hin zu einem klimaneutralen Gebäudebestand wichtige Themen für die Branche, bei denen unbedingter Handlungsbedarf besteht. Auch das Thema Fachkräftemangel treibt viele Unternehmen, gleichermaßen in der Industrie, im Fachhandel und bei den ausführenden Unternehmen, um. Eng verbunden mit diesen Themen sind damit die Fragen nach ressourcenschonenden, nachhaltigen Baustoffen und nach einer Produktivitätssteigerung zum Beispiel durch Vorfertigung.

Sigurd Maier: Der Holzbau wird, unter anderem aufgrund des Einsatzes nachwachsender Rohstoffe, als ein Baustein auf dem Weg zu einem klimaneutralen beziehungsweise nachhaltigeren Neubau bewertet. Während der Holzbau im Ein- und Zweifamilienhausbau bereits etabliert ist, liegen die Holzbauquoten im Mehrgeschossbau in Deutschland noch auf geringem Niveau. Wie sehen Sie hier die Entwicklungen?

Marcel Dresse: In den vergangenen Jahren ist der Anteil von Holzkonstruktionen bei mehrgeschossigen Gebäuden im Wohnbau und Nichtwohnbau wie Schulen, Hotels, Büros, etc. in Deutschland gestiegen. Nach unseren Hochrechnungen wurden im Jahr 2023 rund 4 % der Mehrfamilienhäuser in Deutschland in Holzbau- bzw. Holz-Hybridbauweise erstellt. Anders als im Ein- und Zweifamilienhausbau handelt es sich dabei überwiegend nicht um Konstruktionen mit Holzständerwerk, sondern um Wand- und Deckenelemente aus Brettsperrholz. Bei den meisten mehrgeschossigen Gebäuden in Holzbauweise handelt es sich dabei um Hybridgebäude. Die Holzbauweise wird dabei mit Sockelgeschossen oder Treppenhäusern in Stahlbeton- oder Mauersteinbauweise kombiniert.

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Das Parlamentsgebäude in Berlin für 400 Büroräume wurde in nachhaltiger Holzmodulbauweise fertiggestellt. Foto: Holzbauwelt.de

Entwicklungen hin zum Holzhybridbau mit Holz und Beton

Sigurd Maier: Welche Bedeutung hat die Hybridbauweise aktuell in Deutschland?

Marcel Dresse: Bezogen auf alle Fertigstellungen, unabhängig vom verwendeten Baustoff, ist die Bedeutung des Hybridbaus in Deutschland noch gering. Innerhalb des mehrgeschossigen Holzbaus ist der Hybridbau hingegen die dominierende Bauweise. Ausgehend von einer aktuellen Befragung, die wir bei Architekten, Planern und ausführenden Unternehmen durchgeführt haben, handelt es sich bei mehr als 75 % der überwiegend in Holzbauweise gebauten Mehrfamilienhäuser und bei mehr als 80 % der mehrgeschossigen Nichtwohngebäude in Holzbauweise um Holz- und Holzhybridbau-Konstruktionen. Neben den erwähnten Anwendungen bei Sockelgeschossen oder Treppenhäusern bzw. Liftschächten kommen auch hybride Bauteile wie beispielweise Holz-Beton-Verbunddecken zum Einsatz. Insbesondere bei größeren Projekten dominiert die Hybridbauweise den Holzbau damit eindeutig.

Sigurd Maier: Wie bewerten Sie die bisherigen Erfahrungen und die Wahrnehmung des Holz-Hybridbaus bei Auftraggebern, Architekten / Planern und Ausführenden?

Marcel Dresse: Bisher sind die Erfahrungen mit der Holz-Hybridbauweise bei den meisten Akteuren noch gering. Einige Planungsbüros und (Holz-)Bauunternehmen haben jedoch schon eine weitreichende Expertise durch die erfolgreiche Umsetzung verschiedener Projekte aufgebaut. Wir beobachten, dass sich auch Akteure, die bisher noch wenig Holzbauerfahrung haben, mit dem Holz-Hybridbau auseinandersetzen. Aus der erwähnten Befragung haben wir eine hohe Offenheit hinsichtlich zukünftiger Holz-Hybridbau-Projekte ermittelt. 59,5 % der befragten Entscheider haben gesagt, dass sie sich die Umsetzung zukünftiger Projekte in Holz-Hybridbauweise vorstellen können und dies für technisch umsetzbar halten. Die Offenheit liegt damit deutlich höher als für eine reine Massivholz-Bauweise, beispielweise mit Brettsperrholz. Neben den Architekten / Planern und Ausführenden zeigen auch die Wohnungswirtschaft und Projektentwickler eine relevante Offenheit für die Holz-Hybridbauweise.

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Auch in der städtischen Nachverdichtung spielt der nachhaltige mehrgeschossige Holzhybridbau seine Stärken aus. Foto: Holzbauwelt.de

Wie sieht die Marketentwicklung im Holzhybridbau für die kommenden Jahre aus?

Sigurd Maier: Angesichts der positiven Wahrnehmung des Holz-Hybridbaus, welche Marktentwicklung prognostizieren Sie für die kommenden Jahre?

Marcel Dresse: Grundsätzlich gehen wir von einer steigenden Holzbauquote im Mehrgeschossbau in den kommenden Jahren aus. Neben Nachhaltigkeitserwägungen spielen die Vorteile einer seriellen bzw. modularen Bauweise hier eine Rolle. Die Holzlösungen können hier aus Sicht vieler Investoren und Auftraggeber punkten. Mit der steigenden Holzbauquote wird auch die Bedeutung des Hybridbaus zunehmen. Aktuell ist der Neubau noch stark unter Druck und das Volumen der Fertigstellungen liegt deutlich unter dem Niveau der Vorjahre.

Doch ab dem Jahr 2025 erwarten wir eine Erholung des Neubaus, insbesondere im Mehrfamilienhausbau. Dabei spielt die Schaffung von bezahlbarem, geförderten Wohnraum eine wichtige Rolle. Hier bieten sich Chancen für den Holzbau und damit auch für die Hybridbauweise. Aus unserer Sicht kann die Schaffung von ausreichend Wohnraum nur gelingen, wenn materialoffen agiert wird und verschiedene Akteure ins Boot geholt werden. Es kann und muss nicht jedes Gebäude aus Holz gebaut werden. Viel wichtiger ist es, die Vorteile und Stärken der verschiedenen Baustoffe zu kennen und zu nutzen, um effizient, nachhaltig Wohnraum zu schaffen.

Welcher Kompetenzen bedarf es für die Herausforderung Holzhybridbau?

Sigurd Maier: Wo sehen Sie Herausforderungen im Holzbau bzw. bei der Umsetzung von Hybridbauprojekten?

Marcel Dresse: Neben der beschriebenen Materialoffenheit ist sicherlich die Vernetzung und Information der Baubeteiligten wichtig. Viele Auftraggeber und Investoren kennen die Chancen, die mit dem Holzbau einhergehen bereits. Was sie jedoch häufig nicht wissen ist, wer die entsprechenden Projekte realisieren kann und welche Lösungen für das Projekt geeignet sind. Hier ist eine Vernetzung der verschiedenen Stakeholder notwendig. Auch Informationen über die Kombination von Holz und anderen Baustoffen ist wichtig, um Vorbehalte und Unsicherheiten abzubauen. Portale wie Holzbauwelt.de spielen hier eine wichtige Rolle bei der Vernetzung und Unterstützung.

Darüber hinaus gilt es Akteure wie konventionelle Bauunternehmen, die bisher kaum Erfahrung mit dem Holzbau haben, abzuholen und als Partner in Hybrid-Projekte zu integrieren. Auch die Holzbaubetriebe benötigen eine gewisse Betriebsgröße und entsprechende Erfahrungen, um Großprojekte umzusetzen. Hier ist der Erfahrungsaustausch zwischen den Akteuren essentiell.

Sigurd Maier: Vielen Dank Marcel Dresse für die spannenden Einblicke und das Interview.

Über die Interviewpartner zur Marktstudie mehrgeschossiger Holzbau

Über meinen Interviepartner: Marcel Dresse arbeitet seit 7 Jahren als Projektleiter für das Bonner Marktforschungsinstitut B+L. Dort ist er verantwortlich für die Marktuntersuchungen und Studien zu den Themen Holzbau, Nachhaltigkeit und Gebäudebestand / Sanierung. Darüber hinaus betreut er die europaweiten Zielgruppenbefragungen der B+L, die im Rahmen der Marktanalysen bei Architekturbüros, Bauunternehmen und Handwerksbetrieben durchgeführt werden.

Sigurd Maier ist Gründer und Betreiber der Online-Kompetenz-Plattform für Anbieter im Holzbau, Holzbauwelt.de. Vom Holzhaus bis zum mehrgeschossigen Wohnungs- und Objektbau finden Sie engagierte mittelständische Holzbau-Unternehmen und kreative Architekturbüros. In der Holzbauwelt-Jobbörse finden Sie interessante Arbeitgeber und attraktive Jobs im Holzbau.

lebt in Stuttgart und betreibt als unabhängiger Holzhaus-Experte aus Leidenschaft verschiedene Blogs und das Portal holzbauwelt.de. Er informiert über Trends im Wohnungs- und Gewerbebau mit dem Baustoff Holz für Bauherren, Investoren, Planer im modernen Holzbau. E-Mail senden